Mit SAP S/4HANA hat SAP den Nachfolger von SAP ECC geschaffen. Das Wartungsende 2027 (bzw. mit erweiterter Wartung 2030) macht den Wechsel für alle SAP-Nutzer notwendig. Automobilzulieferer, die besondere OEM-Anforderungen abbilden müssen, müssen bei der Transformation besonders achtsam sein.
Enterprise-Resource-Planning-Systeme sind für die zentrale Ressourcenplanung in einem Unternehmen da. Mithilfe dieser IT-Systeme werden Personal, Kapital, Betriebsmittel, Material und weitere Ressourcen verwaltet, gesteuert und geplant. SAP ist seit langem Marktführer im Bereich ERP-Systeme.
SAP ERP Central Component, kurz ECC, war 2004 die Nachfolgelösung für R/3, wurde aber – vor allem in der Versionierung – eher als Fortführung betrachtet. Die meisten Anwender machen daher keinen Unterschied zwischen R/3 und ECC. 2015 wurde der erneute Nachfolger S/4HANA veröffentlicht. Das offizielle Wartungsende für ECC wurde zunächst mit 2025, dann mit 2027 angegeben. Mit einer erweiterten Wartungslizenz können Unternehmen das alte System noch bis 2030 nutzen. Die Folge ist, dass Unternehmen, die teilweise seit Jahrzehnten mit ERP-Systemen von SAP arbeiten und dies auch weiter beibehalten wollen, gezwungen sind, ihr zentrales IT-System umzustellen.
Seit den 90ern hat sich gerade in der IT einiges verändert. Es gibt gravierende Unterschiede zwischen den beiden ERP-Systemen aus dem Hause SAP. Für alle Unternehmen, auch außerhalb der Automotive-Branche, ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen, weil sie großen Einfluss haben auf die Einrichtung des neuen Systems und die Gestaltung der unternehmensinternen Prozesse. Die großen technologischen Unterschiede sind folgende:
Was in anderen Branchen überhaupt nicht denkbar wäre, ist in der Automobilindustrie alltäglich: Die Kunden, also Automobilhersteller (OEMs), stellen sehr genaue und komplizierte Ansprüche an ihre Zulieferer, wie die Belieferung und die gesamte Kommunikation rund um die Belieferung abzulaufen haben.
In diesem Whitepaper erklären wir die größten Probleme und Herausforderungen, mit denen Zulieferer bei diesen Prozessen konfrontiert sind.
Wer bereits eine bestehende SAP-Systemlandschaft nutzt, kann sich natürlich entscheiden, möglichst umfassend bestehende Prozesse in die S/4HANA-Welt zu migrieren. Das ist aber nicht der einzige Weg:
Pauschal gibt es keine Empfehlung für eine dieser Methoden. Je nach Anforderungen in der jeweiligen Branche aber auch beim individuellen Unternehmen, können verschiedene Szenarien sinnvoll sein.
Viele Unternehmen tendieren grundsätzlich zunächst einmal Richtung Green- oder Bluefield. Das hat einen einfachen Grund: SAP-Systeme, die schon viele Jahre in Unternehmen eingesetzt werden, sind oft stark verändert. Bei jeder neuen Anforderung oder notwendigen Anpassung kommen eigens entwickelte Z-Programme hinzu – man spricht auch von „verbastelten Systemen“. Solche Systeme sind sehr aufwendig zu warten und betreiben. Aufgrund dieser Erfahrung wollen Unternehmen stärker zum Standard zurückkehren.
Automobilzulieferer müssen spezielle Belieferungsanforderungen ihrer Kunden beachten. Das betrifft zum einen die Serien- oder Sequenzbelieferung, zum anderen aber auch spezielle Prozesse zum Datenaustausch zwischen Zulieferer und Automobilhersteller (auch OEM). Unabhängig vom eingesetzten ERP-System müssen Sie als Zulieferer sicherstellen, dass Sie die EDI-Nachrichten mit Lieferabrufen verarbeiten, die enthaltenen Daten speichern und korrekt beim Versand als Sendungsbeleg, ASN oder auch Etikett wieder ausgeben.
Der Standard unter SAP ECC war dazu nicht in der Lage: Fortschrittszahlen, Zeitzonenumrechnung, einteilungsbezogene Zusatzdaten oder Anpassungen in ASNs – die OEM-Prozesse mussten Zulieferer schon unter ECC mithilfe von Z-Programmen oder Add-ons abbilden.
In Bezug auf das Migrationsszenario hat das Folgen für die Einrichtung des Systems: Der SAP-Standard unter S/4HANA deckt OEM-Spezialanforderungen weiterhin nicht vollständig ab. Das bedeutet: Wenn Sie unter SAP ECC bereits Erweiterungen genutzt haben, um OEM-Prozesse abzubilden, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie dies auch unter S/4HANA tun müssen.
Die Entscheidung für ein Migrationsszenarium (also Green-, Brown- oder Bluefield) in der Automobilbranche ist daher häufig eher eine Entscheidung, ob man bestehende Add-ons oder Erweiterungen weiterhin nutzen möchte beziehungsweise überhaupt nutzen kann oder ob man diese gegen neue austauschen möchte.
Zu den bestehenden Herausforderungen durch Sonderprozessen gibt es beim Umstieg auf S/4HANA noch einige zusätzliche technologische Änderungen, die Automobilzulieferer berücksichtigen müssen. Denn diese haben direkten Einfluss auf die Umsetzung der OEM-Prozesse.
Gesteigerte Variantenvielfalt
Während es mit SAP ECC noch verhältnismäßig verbreitet war, Prozesse mit den vorhandenen Modulen unter ECC abzuwickeln (LE-TRA, Stockroom Management, WM, etc.), hat sich die Systemlandschaft in den letzten Jahren stark verändert. Lösungen wie EWM oder TM können dezentral (also außerhalb des ERP-Systems) eingerichtet werden. Gleichzeitig könnendie früheren Module noch bis zum Ende des Wartungszeitraums weiter genutzt werden. Es gibt daher zahlreiche verschiedene Kombinationen aus ERP-System, Transportation Management (SAP Transportation Management Basic und Advanced, LE-TRA) und Lagerverwaltung (Stockroom Management, WM, EWM). Prozesse müssen teilweise komplett neu gedacht werden, weil sie ganz anders abgewickelt werden.
Das wird noch komplexer, wenn Sie in Ihrem Unternehmen verschiedene Kombinationen von Systemen nutzen. Arbeitet eine Niederlassung bei den Versandprozessen heute noch mit dem LE-TRA-Modul und eine andere mit SAP TM, sind Sie gezwungen, verschiedene Prozesse zu harmonisieren – und zwar immer so, dass es trotzdem zu den OEM-Anforderungen passt.
Ein Beispiel: Eine Besonderheit von OEM-Prozessen sind die ausgehenden Sendungsbenachrichtigungen, genannt ASN (Advanced Shipping Notice). Diese hatten unter SAP ECC, genauer gesagt dem Transportmodul LE-TRA das SAP-übliche IDoc (SHPMNT05 oder DELVRY03). Wer jetzt Transporte oder Sendungen mithilfe von SAP TM abwickelt, muss sich darauf einstellen, dass hier das Dateiformat XML genutzt wird. IDocs gibt es in diesem Fall gar nicht mehr. Von OEMs geforderte Zusatzinformationen, die im Standard nicht vorgesehen sind, müssen Sie nach der Transformation unter S/4HANA vollständig neu abbilden.
Wie man an diesen Punkten sieht, ist es für Automobilzulieferer schwierig, nur Standard-SAP-Prozesse zu nutzen. Wer dies schon unter ECC nicht umsetzen konnte, wird auch bei S/4HANA mit Systemerweiterungen arbeiten müssen. Der Greenfield-Ansatz ist dementsprechend nur in dem Sinne möglich, dass man zwar das System vollständig neu aufbaut, dabei aber direkt berücksichtigt, dass für OEM-Prozesse Ergänzungen nötig sind.
Tipp: Unabhängig davon, ob Sie für Ihre OEM-Prozesse unter SAP gegenwärtig mit Add-ons von WSW Software oder einem anderen Anbieter arbeiten: Kontaktieren Sie Ihren Add-on-Partner möglichst früh in Ihrem Transformationsprojekt. So stellen Sie schon zeitig sicher, dass Sie auch unter S/4HANA sämtliche Anforderungen Ihrer Kunden berücksichtigen können.
SAP-Berater*innen, die für Automobilzulieferer arbeiten, kennen diesen Konflikt: Auf der einen Seite sind sie mit komplexen Anforderungen der Automobilhersteller konfrontiert, die sehr genaue Guidelines für den Datenaustausch mit ihren Zulieferern beinhalten. Und auf der anderen Seite steht da oft ein SAP-System, das nicht auf diese Anforderungen ausgerichtet ist. Wie genau man mit diesem Problem umgehen kann und welche Lösungen es gibt, untersucht für Sie dieses Whitepaper.