Kennzahlen sind in allen Unternehmensbereichen von hoher Bedeutung. Sie schaffen die Basis für Entscheidungen, erzeugen Transparenz und sind essenziell, um Soll-Ist-Vergleiche und Positionsbestimmungen vornehmen zu können. Ist eine Kennzahl für ein Unternehmen besonders wichtig, wird sie als Schlüssel-Kennzahl bzw. Key Performance Indicator (KPI) bezeichnet. Ein KPI in der Logistik leistet folglich einen bedeutsamen Beitrag zur Überwachung und optimalen Steuerung von Prozessen. Dieser Beitrag erklärt besonders wichtige Logistik-KPIs und deren Berechnung.
Was ist ein KPI in der Logistik?
Ein KPI in der Logistik ist eine besonders wichtige Kennzahl zur Beurteilung der logistischen Prozesse eines Unternehmens. Die Key Performance Indicators (KPIs) können sich auf verschiedene Bereiche der Logistik beziehen – etwa auf das Lager-, auf Lieferketten- oder die Transportlogistik. Die Erhebung und Nutzung von Logistik-Kennzahlen unterstützten folgende unternehmerische Aufgaben:
Vergleiche mit Planzahlen durchführen (Zielerreichung überprüfen)
Effizienz und Performance von Prozessen messen
Abläufe optimieren
Branchen-Benchmarks vornehmen
faktenbasierte Entscheidungen treffen
Top Logistik-KPIs: die wichtigsten Kennzahlen im Überblick
In der Logistik existieren zahlreiche Kennzahlen. In der Regel beziehen sich diese auf die Produktivität, Qualität und Effizienz von Prozessen. Zudem existieren einige Logistik-KPIs, die zur Bewertung von Lager- und Logistikkosten dienen.
Zu den besonders wichtigen Kennzahlen in der Logistik zählen folgende:
Lagerumschlagshäufigkeit
Die Lagerumschlaghäufigkeit gibt an, wie häufig ein Material das Lager komplett verlässt und wieder durch Nachschub ersetzt wird. Berechnet wird die Lagerumschlagshäufigkeit mit folgender Formel:
Lagerumschlagshäufigkeit = Umsatzerlös / Wert des durchschnittlichen Lagerbestands
Der Umsatzerlös und auch der Wert des durchschnittlichen Lagerbestands müssen sich auf denselben Zeitraum (zum Beispiel Monat oder Jahr) beziehen.
Weitere Möglichkeiten zur Berechnung sind folgende:
Lagerumschlagshäufigkeit = Wareneinsatz / durchschnittlicher Lagerbestand zu Einstandspreisen
Lagerumschlagshäufigkeit = Lagerabgänge / durchschnittlicher Lagerbestand
Grundsätzlich gilt: Je häufiger eine Ware in einem bestimmten Zeitraum umgeschlagen wurde, desto besser. Denn Artikel mit einer hohen Umschlagshäufigkeit („Schnelldreher“) werden häufig verkauft und befinden sich nur kurze Zeit im Lager. Dem gegenüber deutet eine geringe Lagerumschlagshäufigkeit auf (potenzielle) Lagerhüter hin.
Lagerreichweite
Die Lagerreichweite gibt an, wie lange der Bestand einer Ware noch ausreicht, um die bereits eingegangenen Bestellungen zu beliefern. Zur Berechnung dient folgende Formel:
Lagerreichweite = 1 / Lagerumschlagshäufigkeit
Gängig ist es außerdem, die Reichweite in Tagen zu berechnen. In diesem Fall kann folgende Formel verwendet werden:
Lagerreichweite in Tagen = durchschnittlicher Lagerbestand / durchschnittlicher Bedarf pro Tag
Die Lagerreichweite ist ein wichtiger KPI der Logistik, da sie Aufschluss über die Versorgungssicherheit gibt.
Kapitalbindung
Im Hinblick auf die Kapitalbindung durch Bestände lassen sich zwei verschiedene Logistik-KPIs berechnen. Zunächst ist dies der Lagerzinssatz. Er beantwortet folgende Frage: Welche Zinsen könnte ein Unternehmen mit dem gebundenen Kapital am freien Kapitalmarkt erwirtschaften? Die Formel lautet:
Lagerzinssatz = marktüblicher Zinssatz x durchschnittliche Lagerdauer in Tagen / 360 Tage
Auf dieser Basis lassen sich sodann die Kapitalbindungskosten ermitteln:
Kapitalbindungskosten = Lagerzinssatz x durch Bestände gebundenes Kapital
Lagerbestände schmälern stets die Liquidität eines Unternehmens. Das Ziel sollte es demnach sein, Bestände zu minimieren, um über mehr liquide Mittel zu verfügen. Allerdings darf die Lieferfähigkeit durch diese Maßnahme nicht beeinträchtigt werden.
Lagerbestandsgenauigkeit
Die Lagerbestandsgenauigkeit gibt Aufschluss über die Differenz zwischen tatsächlich vorhandener Ware und dem Bestand im ERP- oder Warenwirtschaftssystem. Errechnet wird der Wert wie folgt:
Lagerbestandsgenauigkeit = Bestand im System – tatsächlich im Lager vorhandener Bestand
Idealerweise liegt die Abweichung bei null. Etwaige Diskrepanzen müssen geklärt und durch Korrekturbuchungen (Buchung von Inventurdifferenzen) bereinigt werden.
Inventar-Umsatz-Verhältnis
Das Inventar-Umsatz-Verhältnis ist eine KPI der Logistik, die sich zur Bewertung von Übervorrat (overstock) eignet. Betrachtet wird das Verhältnis tatsächlich verkaufter Artikel im Verhältnis zum Lagervorrat. Die Formel lautet:
Inventar-Umsatz-Verhältnis = Anzahl der verkauften Waren / Anzahl der Waren im Lager
Der optimale Wert ist von der Branche und dem Geschäftsmodell abhängig. In der Regel wird ein Mittelweg zwischen der Höhe des gebundenen Kapitals und der Fähigkeit, kurzfristige Nachfragespitzen zu befriedigen, gewählt.
Lieferzeit (Pünktlichkeit)
Hier wird die sogenannte On-Time-Shipping-Rate untersucht. Sie gibt Aufschluss darüber, wie häufig Ware zum geplanten Versandtag tatsächlich verschickt wird:
On-Time-Shipping-Rate = Anzahl der planmäßig versendeten Lieferungen / Anzahl der Gesamtlieferungen x 100
Daneben existiert außerdem die On-Time-Delivery-Rate. Sie zeigt an, wie häufig Ware zum zugesicherten Liefertermin beim Kunden eintrifft:
On-Time-Delivery-Rate = Anzahl der planmäßig ankommenden Lieferungen / Anzahl der Gesamtlieferungen x 100
Mit einer pünktlichen Lieferung geht eine hohe Kundenzufriedenheit einher. Unternehmen sollten demnach bestrebt sein, die On-Time-Shipping-Rate bzw. On-Time-Delivery-Rate zu maximieren. Dabei sollte die sogenannte letzte Meile besonders im Fokus stehen.
Lieferqualität
Die Lieferqualität gibt an, inwiefern die gelieferte Ware den qualitativen Kundenanforderungen entspricht. Sie berechnet sich folgendermaßen:
Lieferqualität = Anzahl der reklamierten bzw. retournierten Lieferungen / Gesamtzahl der Lieferungen x 100
Selbstverständlich sollten Unternehmen stets eine hohe Produktqualität anstreben, die sich dann in einer geringen Reklamationsquote widerspiegelt.
Liefergenauigkeit
Die Liefergenauigkeit ist ein KPI aus dem Logistik-Bereich, mit der gemessen wird, wie viele Bestellungen ohne Störungen abgewickelt werden. Betrachtet werden dabei Zwischenfälle im gesamten Lieferprozess – vom Bestelleingang über die Intralogistikabwicklung und den Versand bis zum Eintreffen beim Kunden. Als Zwischenfälle gelten in diesem Kontext beispielsweise:
- fehlerhafte Lieferungen (falsche Artikel)
- unvollständige Lieferungen (Fehlmengen)
- verzögerte Lieferungen
- Beschädigung der Ware beim Transport
- Totalverlust
Die Formel zur Berechnung der Liefergenauigkeit lautet:
Liefergenauigkeit = Anzahl der Bestellungen ohne Zwischenfälle / Anzahl der Gesamtbestellungen x 100
Idealerweise liegt das Ergebnis dieser Rechnung bei über 90 Prozent.
Logistikkosten
Im Unternehmen fallen verschiedene Logistikkosten an. Hierzu zählen beispielsweise Lagerhaltungskosten, Transportkosten, Auftragsabwicklungskosten und Verwaltungskosten. Jeder dieser Kostenblöcke sollte möglichst geringgehalten werden. Um zu bewerten, wie hoch die Logistikkosten im Verhältnis zum Umsatz liegen, kann der sogenannte Logistikkostenanteil berechnet werden:
Logistikkostenanteil = Logistikkosten / Umsatz x 100
Häufig werden auch die Transportkosten isoliert mit dem Umsatz verglichen:
Transportkosten im Verhältnis zum Umsatz = Transportkosten / Umsatz x 100
Außerdem ist es möglich, die Transportkosten in Relation zum Produktpreis zu setzen:
Verhältnis von Transportkosten zu Produktpreis = Transportkosten eines Produkts / Verkaufspreis eines Produkts x 100
Wird diese Berechnung über das gesamte Sortiment ausgedehnt, lassen sich diejenigen Produkte ermitteln, die gemessen an ihrem Preis besonders niedrige oder hohe Transportkosten generieren.
Auslastungsgrad der Flotte
Diese Logistik-Kennzahl spiegelt die belegte Transportkapazität im Verhältnis zu ihrer Gesamtkapazität (in Volumen oder Gewicht) wider.
So erfolgt die Berechnung:
Transportauslastung = genutzte Transportkapazität in m³ oder kg / Gesamtkapazität in m³ oder kg
Das Ziel ist selbstverständlich eine möglichst hohe Auslastung. Geringe Werte deuten entweder auf Fehler in der Disposition oder auf einen überdimensionierten Fuhrpark hin.
Lieferantenzuverlässigkeit
Auch die Zuverlässigkeit von Lieferanten kann berechnet werden. Häufig wird hierzu die sogenannte Lieferanten-Compliance-Rate herangezogen. Sie berechnet sich wie folgt:
Lieferanten-Compliance-Rate = verspätet eingegangene Bestellungen / insgesamt eingegangene Bestellungen x 100
Wer diese Logistik-Kennzahl durchgängig überwacht, kann Lieferrisiken minimieren. Dies geschieht, indem Lieferanten mit unzureichender Lieferanten-Compliance-Rate auf die Einhaltung von Lieferterminen hingewiesen oder notfalls durch andere Lieferanten ersetzt werden.
Eingegangene Fehllieferungen
Diese Kennzahl gibt Aufschluss über den Prozentsatz der fehlgeschlagenen Bestellungen. Sie sagt also aus, wie häufig ein Lieferant die Vereinbarungen hinsichtlich Service- oder Produktqualität nicht erfüllt hat. Die Formel lautet:
Fehllieferungsquote = zurückgewiesene Bestellungen / insgesamt erhaltene Bestellungen x 100
Lead Time von Bestellungen
Mit dieser Logistik-Kennzahl wird gemessen, wie viel Zeit zwischen der Bestellung und dem Eintreffen der Lieferung vergeht. Die Berechnung erfolgt so:
Lead Time der Bestellung = Datum des Bestelleingangs – Lieferdatum
KPI in der Logistik: Beispiel
Ein sehr häufig genutzter KPI in der Logistik ist der Logistikkostenanteil. Wie bereits erwähnt, wird er ermittelt, indem Logistikkosten und Umsatz eines Unternehmens ins Verhältnis gesetzt werden. In diesem Beispiel gehen wir davon aus, dass der Mustermann GmbH zum Jahresabschluss folgende Kosten vorliegen:
- Verpackung und Porto: 6.000 Euro
- Lagerhaltung: 24.000 Euro
- Transport: 90.000 Euro
Der Jahresumsatz des Unternehmens beträgt 300.000 Euro. Auf Basis dieser Werte kann nun der Logistikkostenanteil berechnet werden:
Logistikkostenanteil = 120.000 EUR / 300.000 Euro x 100 = 40 %
Die Mustermann GmbH hat somit einen Logistikkostenanteil von 40 Prozent.
Welche Vorteile haben KPIs in der Logistik?
Wer Logistik-KPIs regelmäßig berechnet, über einen Zeitverlauf beobachtet, sie dokumentiert und vergleicht, kann mehrere Vorteile generieren. Dies gilt sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene. Aus strategischer Sicht helfen Logistikkennzahlen dabei, fundierte Kosten-Nutzen-Entscheidungen zu treffen, ROI-Ermittlungen durchzuführen, das Risiko von Entscheidungen zu bewerten und Investitionsanalysen vorzunehmen. Außerdem geben sie dem Management Auskunft darüber, inwiefern qualitative, quantitative, strategische und operative Ziele erreicht wurden.
Im operativen Bereich helfen die Key Performance Indicators, die Prozesse des Tagesgeschäfts kontinuierlich zu überwachen, zu bewerten und zu verbessern. Fehlentwicklungen lassen sich dadurch frühzeitig erkennen und korrigieren, noch bevor es zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen kommt.
Fazit
Insgesamt sind KPIs in der Logistik unverzichtbar, um die nötige Transparenz zu gewinnen und Optimierungspotenziale zu identifizieren. Sie bilden die Basis, um Maßnahmen abzuleiten, die bspw. das Ziel verfolgen Kosten zu senken, produktiver zu werden oder die Servicequalität zu steigern. Damit die KPIs ihren vollen Mehrwert entfalten, sollten sie passend zum Unternehmen ausgewählt, regelmäßig berechnet und kontinuierlich überwacht werden. Wichtig ist außerdem, sie nicht isoliert zu analysieren, sondern ihre Zusammenhänge zu berücksichtigen. Denn nur dann führen KPI-basierte Entscheidungen zu optimalen Ergebnissen.
FAQ
Die wichtigsten Begriffe im Rahmen von KPIs in der Logistik erklären wir hier:
Logistik-KPIs sind betriebswirtschaftlich besonders relevante Kennzahlen zur Beurteilung der Performance von Logistikprozessen.
Logistik-KPIs schaffen Transparenz über die Leistungsfähigkeit von Logistikprozessen. Sie liefern Anhaltspunkte zur Steigerung der Produktivität und Qualität sowie zur Senkung von Kosten.
Logistik-Kennzahlen bilden die Performance unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Aspekte ab. Um diese zu optimieren, müssen zunächst die zugehörigen Kennzahlen fundiert berechnet, über einen längeren Zeitraum beobachtet und verglichen werden. Hierbei helfen spezielle Software-Tools. Bei „schlechten“ Werten können dann die Gründe evaluiert und gezielte Verbesserungsmaßnahmen initiiert werden.